POP
CDs
|
NEUES
AUS
DER
M U S I K W E L T
I—
<
O
2
LU
O
o
No Sinner
BOO HOO
Mascot/Rough Trade CD
(39’)
Anhand von Cover und Bandnamen
vermutet man eine 8oer-Jahre-
Hardrocktruppe übelster chauvi-
nistischer Prägung, ganz sicher
aber nicht eine 25-jährige Blues-
rock-Röhre aus Vancouver, die Janis
Joplin oder Tina Turner nacheifert.
Dazu muss man jedoch wissen,
dass No Sinner der rückwärts
gelesene Nachname von Sänge-
rin Colleen Rennison ist, die den
Retro-Bluesrock mit kraftvoller
Vokal-Performance entscheidend
prägt. Gospel, Soul und Südstaa-
ten-Blues sind die Wurzeln des
Quartetts; auch zu Sängerinnen
wie Nina Simone, Bessie Smith
und Etta James findet man Verwei-
se. Gemeinsam mit Gitarrist Eric
Campbell, Drummer Ian Browne
Billie Joe Armstrong, Norah Jones
FOREVERLY
Reprise CD
(46’)
Zu wunderbarster Harmonie wie
Dawn McCarthy und Bonnie „Prin-
ce” Billy bei „What The Brothers
Sang“ brachte es dieses Duo bei
ihrer Hommage an ein Everly-Bro-
thers-Album von 1958 keineswegs.
Und so herzzerreißend wie „Empty
Boxes“ bei den Kollegen klingt
„I’m Here To Get My Baby Out Of
Jail“ aus dem Mund von Norah
Jones einfach nicht. „Put My Litt-
le Shoes Away“ dagegen gelingt
ihnen umwerfend gut. Sie über-
zeugen immer dort, wo sie sich
vorbehaltlos zum Sentiment, auch
zur ungeschminkten Sentimenta-
lität der Vorlagen bekennen und
Letztere nicht überziehen wie bei
„Kentucky“.
F. Sch.
MUSIK '
KLANG ★ ★ ★
und
Matt
Camirand
am
Bass
gestaltet M iss Rennison ihren
Blues-Sound aber mit einer rohen,
alles überrollenden Wucht aus, die
an Genossen wie Kings Of Leon
oder Black Rebel Motorcycle Club
erinnert und in kleinen Live-Clubs
eine hochexplosive Kraft entwi-
ckeln wird.
Fast überrascht nimmt man in
der Mitte des Albums zur Kenntnis,
dass No Sinner auch Blues-Balla-
den beherrschen: „Rise Up“ startet
mit einer Zärtlichkeit, die man den
Rabauken nicht zugetraut hätte,
steigert sich dann aber zu kraftvol-
ler Gospel-Leidenschaft. Dito bei
der Schlussnummer „September
Moon“: Vor allem begeistert natür-
lich die blutjunge Frontfrau, aber
bei genauerem Hinhören merkt
man, welch großen Anteil das un-
spektakuläre, doch ausgewogene
Spiel der drei Mitmusikanten am
ungeschliffenen
Gesamt-Sound
hat. Derzeit tourt die Truppe im
Vorprogramm von Beth Hart - eine
passende Kombination, denn Col-
leen Rennison und Beth Hart sind
gleichermaßen Sängerinnen, die
bedingungslos ihr Herz ausschüt-
ten und den Hörer mit impulsiver
Performance schier überrollen. No
Sinner entpuppen sich als gran-
diose Neuentdeckung, von der wir
ganz sicher noch viel mehr hören
wollen.
Peter Bickel
MUSIK ★
^ ^ ^ ^ ^ ^
KLANG ★
|
Paul Carrack
RAIN OR SHINE
Carrack-UK/H‘art Musik-Vertrieb CD
Verlässlich wie immer in den ver-
gangenen Jahren als Solokünst-
ler liefert Paul Carrack auch auf
„Rain Or Shine“ wieder einen
einwandfreien Songzyklus ab. Mit
großer Autorität und Authentizität
interpretiert er hier schöne neuver-
fasste Titel wie „Stepping Stone“,
die sich klanglich an der Tradition
des Memphis- und Motown-Soul
orientieren. Ganz groß ist „The
Man With The Golden Voice“ (BBC
4) außerdem in Adaptionen von
Eddy Arnolds fast 60 Jahre alter
Herzschmerzballade „You Don’t
Know Me“ und Brenda Lees Hit
„I’m Losing You“. Blue-Eyed Soul
für Kuschelstunden mit dem oder
der Liebsten.
hake
MUSIK ★ ★
KLANG ★
A AjV - " " C
Malia & Boris Blank
CONVERGENCE
Boutique/Universal CD (auch als LP erhältlich) (45’)
Für ihre Nina-Simone-Interpreta-
tionen auf „Black Orchid“ gewann
sie 2013 den ECHO Jazz Award.
Auf „Convergence“ versucht Malia
künstlerisch wieder auf eigenen
Füßen zu stehen. Doch auch die
klanglich perfekte Produktion von
Yello-Mastermind Boris Blank kann
nicht darüber hinwegtäuschen,
dass eine makellose Stimme allein
nicht genügt, um den Hörer mit-
zureißen. Die im ostafrikanischen
Malawi geborene Sängerin startete
mit „Yellow Daffodils“ einst viel-
versprechend. Inzwischen ist sie
eine von zu vielen talentierten, aber
eben auch auswechselbaren Chan-
teusen im Grenzbereich zwischen
Jazz, Folk und Avant-Pop.
wz
KLANG ★ ★ ★
Keziah Jones
CAPTAIN RUGGED
Because Music/Warner CD (auch auf Vinyl)
(46')
Vor über 20 Jahren etablierte er
den Begriff „Blufunk“ für seine
Musik, bestehend aus treibenden
Funk-Grooves, die Keziah Jones
nicht mit der Wucht einer Band,
sondern vor allem durch perkus-
sive Slapping-Techniken auf der
akustischen Gitarre umsetzt. Der
nigerianische Sänger und Gitarrist,
beeinflusst gleichermaßen durch
Fela Kuti und die Red Hot Chili Pep-
pers, schlüpft nun als Captain Rug-
ged in die Rolle eines Superhelden,
der in Lagos gegen korrupte Politik
und soziale Probleme kämpft. Spiel-
technisch durchaus kompetent plät-
schern die Songs allerdings wenig
abwechslungsreich und scheinbar
ohne echte Anteilnahme dahin.
pb
MUSIK ★
_£★ ★
KLANG ★
Make My Day/Indigo CD
(38’)
Auch als LP erhältlich
Die Steel-Drum-Klänge auf „Little
Joy“ sind auf Gitarre erzeugt, aber
Trompeten und Klarinette werden
tatsächlich gespielt. Was Eleni
Mandell auf „Let’s Fly A Kite“ mit
Hilfe der kompletten von Nick
Lowe ausgeliehenen Band bietet,
ist mitsamt dem karibischen Flair,
Mariachi-Trompeten, Anklängen
an Jazz der 30er und 40er Jahre,
Flam enco-Gitarre
und
dieser
ganzen
Hoagy-Carm ichael-Nos-
talgie, hinreißend in „Maybe Yes“
beschworen, ein waghalsiger Mix:
eine m usikalische Zeitreise als
anachronistisches Hörvergnügen
von frivoler Pop-Meisterschaft.
F. Sch.
MUSIK
KLANG ★
120 STEREO 2/2014
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problematisch I ★ schlecht
vorherige seite 119 Stereo 2014-02 lesen sie online nächste seite 121 Stereo 2014-02 lesen sie online Nach hause Text ein/aus